• ZumaFx Was du zur Freiheit und Verantwortung schreibst, scheint ein wenig konfus (mea culpa, vielleicht verstehe das ja nur ich nicht). Deshalb bat meine klapprige Tastatur, ebenfalls ein, zwei Zeilen zum Thema zu verfassen. Über die Freiheit in einem Dampferforum zu schreiben, sollte wohl erlaubt sein, denn sie hat mit dampfen sehr viel mehr zu tun, als gemeinhin angenommen wird. Allerdings finde ichꞌs schon recht knifflig, die richtigen Worte zu finden, weshalb ich mal mit einem Beispiel beginne.

    Stell dir folgendes vor ZumaFx:

    Die Regierung verbietet das Dampfen. Als Grundlage dienen ein paar Studien. Verbot hin, Verbot her (für andere), du jedenfalls beklagst dich daraufhin über die Beschränkung deiner persönlichen Freiheit und forderst mehr Eigenverantwortung.

    Nichtdampfende Leute entgegnen dir nun, dein Verhalten sei verantwortungslos, da das Verbot schließlich zum Schutz aller übrigen Menschen (vor allen Dingen der Kinder, der Kinder!) getroffen wurde. Einige sprechen gar davon, dass zur Freiheit eben auch die Verantwortung gehöre und dass du als verantwortungsbewusster Bürger deshalb den neuen Regeln zu folgen hast.

    Du wiederum bietest eine ganze Menge Studien auf, deren Erkenntnisse kein Dampfverbot rechtfertigen. Die Regierung antwortet dir aber nicht und lässt durch gekaufte Medien verbreiten, du und Leute deines Schlages seien Aluhut-Träger und ihr verbreitet Verschwörungstheorien. Das regt dich vielleicht auf und du schimpfst oder du erregst dich in der Öffentlichkeit laut über so viel Ignoranz, schon verwandelst du dich in einen Hassredner, der überall nur Hetze verbreitet.

    Du erkennst vielleicht an diesem kleinen Beispiel, wie relativ Begriffe wie die der Verantwortung sind und wie leicht sie missbraucht werden können. Für jedes gute Vorhaben, absolut egal wofür, lässt sich der Verlust von ein ganz bisschen Freiheit begründen. Die Freiheit stirbt dabei zentimeterweise. Nur ein ganz kleines Stück, darüber kannst du dich nicht ernsthaft aufregen. Unter Verantwortung verstehen beide Seiten etwas diametral entgegengesetztes.

    "Vielosoffisch" lässt sich das sogar auf die Spitze treiben. Stelle dir einen Krieg zweier Länder vor, bei dem auf beiden Seiten die jungen Männer freiwillig singend voller Überzeugung in die Schlacht ziehen. Die Alten in deren Rücken loben sie dafür und bestärken das "verantwortungsbewusste Handeln der jungen Generation zum Überleben der Gemeinschaft". Die Präsidenten beider Länder ehren die jungen Soldaten und behängen die mutigsten unter ihnen mit glitzernden Orden, die die stolzen Krieger noch ihren Urenkeln zeigen und dazu die spannendsten Geschichten zu erzählen wissen. Die Kinder lauschen gebannt ...

    Genau wie der scheibchenweise Verlust der Freiheit, so lässt sich auch mit dem Begriff "Verantwortung" einfach alles rechtfertigen, schwarz oder weiß, Wohl oder Weh inklusive sämtlicher Mischformen. Freiheit hingegen, also die lebendige, vorhandene Freiheit, steht für sich selber. Sie ist universell. Nichts bedingt die Freiheit und nichts schränkt sie ein, denn wenn es so wäre, wäre es ja keine Freiheit mehr.

    Geht sie aber verloren - und wie gesagt, dies geschieht fast unmerklich, zentimeterweise, scheibchenweise, dann sterben am Ende mit ihr die Seelen aller Menschen. Ohne individuelle Freiheit sind wir Borg-Drohnen.

    Viel besser kommt das in Rilkes Gedicht vom Panther zum Ausdruck:

    Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

    so müd geworden, dass er nichts mehr hält.

    Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

    und hinter tausend Stäben keine Welt.

    Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

    der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

    ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

    in der betäubt ein großer Wille steht.

    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

    sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,

    geht durch der Glieder angespannte Stille –

    und hört im Herzen auf zu sein.

    Die bürgerlichen Freiheiten in einer Demokratie beinhalten bereits die Eigenverantwortung, so wie du sie im oberen Beispiel mit dem Dampfverbot von der Regierung einforderst. Freiheit ist daher auch immer dein Eigentum. Ohne Freiheit keine Eigenverantwortung. Eine kollektive Freiheit könnte leicht ins Chaos führen, in die Anarchie (die für manche Zeitgenossen bekanntlich ein angestrebter Zustand ist - gewiss ohne sie selbst jemals erlebt zu haben). Also muss jeder einzelne Mensch die Verantwortung für sein Tun und Handeln selber übernehmen. Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich. Gibt man diese Verantwortung ab - an einen Staat als Fürsorger, und sei es auch noch so gut gemeint - dann entmündigt man sich selber und zeigt überdies, dass man außerstande ist, eigenverantwortlich zu leben. Man macht sich selber wieder zu einem Kind in einer Kita-Gruppe (sicher, auch das ist für einige Zeitgenossen ein erstrebenswertes Ziel).

    Es steht also die Frage im Raum: ist das Forum eine Krabbelgruppe oder ein virtueller Begegnungsraum freier selbstbestimmter Menschen?

    Das zum einen. Also grundsätzlich zur Natur der Verantwortung und der Freiheit. Jetzt wird es aber erst so richtig interessant. Denn wer bestimmt darüber, welche und wie viel Freiheit wer, wie wann und wo bekommt? Und wer kontrolliert letztendlich diesen bzw. die Bestimmer?

    In der Regel machen es erst mal die Gesetze, meist Verfassungen, da es bei der Freiheit um Übergeordnetes geht. Unser Grundgesetz definiert genau das und bestimmt seit Jahrzehnten, wie ein eventuell notwendiger Prozess bei einer Anpassung oder Auslegung auszusehen hat. Aus schlechter Erfahrung der Vergangenheit wurden bestimmte Regeln niedergeschrieben, die ein Durchregieren eines zentralistischen Staats verhindern sollen. Diese Regeln sollten unantastbar gelten. Der föderale Aufbau unseres Landes ist sein Grundgerüst. Anpassungen an die Realität sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor, sie geschehen immer mal wieder, doch am Gerüst des Landes sollte eben nicht gerüttelt werden (Rütteln ist natürlich okay, Rütteln und Schütteln vertreibt Staub, gemeint ist hier natürlich, dass es nicht abgeschafft, auseinandergebaut, beschädigt oder zerstört wird). Das könnte man zwar machen, doch dann muss man wissen, dass man dadurch fortan in einem neuen anderen Land leben würde. Das funktioniert schon, denn auch in autokratischen Gesellschaften existiert ein gutes privates Leben - halt nur nicht für alle.

    Genau das, eine Beschädigung des Grundgerüsts, war jetzt innerhalb von zwei Jahren zwei Mal geschehen. 1. beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz und 2. beim Infektionsschutzgesetz. In beiden Fällen wurden grundgesetzliche Bestimmungen umgeschrieben, die nun erlauben, die Freiheitsrechte der Bürger*innen einzuschränken und den Föderalismus für bestimmte (ist reine Definitionssache) Zustände außer Kraft zu setzen. Wir befinden uns bereits Heute in einem anderen Land als noch vor zwei Jahren. Wesentliche Schutzmechanismen des alten Landes existieren nicht mehr. Jetzt beginnt also (rein theoretisch) die Aufgabe der Kontrolle.

    Wer sind diese Kontrolleure?

    Niemand anderes als wir alle, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und genau deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass jedem einzelnen Menschen diese Aufgabe auch bewusst wird. Nur wir selber können die Bürgerrechte schützen und sie im Falle einer Beschädigung reparieren.

    Bereits 2011 hatte das in unglaublicher Weitsicht, die ich gerne als prophetisch bezeichnen möchte, der verstorbene Guido Westerwelle in seiner Abschiedsrede beim FDP-Parteitag vorausgesagt. Nehmt euch nur knapp zwei Minuten Zeit und hört zu, was er da sagt:

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    Jetzt ist es also an uns, an jeden einzelnen, in seiner oder ihrer eigenen Verantwortung - und zwar überall, in allen Bereichen des Lebens - der weiteren Zerstörung des Grundgerüsts unseres Landes entgegen zu wirken und nach Möglichkeit die bereits entstandenen Schäden wieder zu flicken. Der kleinste Schaden, über den sich einige vielleicht noch lustig machen und ihn als schlichte Macke abtun, wird unbehandelt zu einem größeren und am Ende die Ursache des Zusammenbruchs. Überall, immer.

    Und da die Freiheit mit unsere Psyche eng verwurzelt ist, zeigt Rilkes Gedicht eindringlich, was mit uns, mit unseren Seelen geschieht, wenn wir nichts tun, wenn wir auf die Kontrolle der Regierung verzichten und uns darüber hinaus weiter mehr und mehr Freiheiten nehmen lassen. Diesen Schaden an der eigenen Seele zeigt auch ein modernes Gedicht, was ich euch nicht vorenthalten möchte, denn guckt und hört mal, nur fünf Minuten eines Zufallsfundes aus dem Web, aber fünf Minuten, die schaurig im Herzen haften bleiben, finde ich (ich weiß natürlich nicht, ob das alle so erleben wie ich. Isꞌ klar, so ist das eben mit der Kunst, nicht jeder empfindet dasselbe):

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    Wer jetzt glaubt, all dies habe doch bitteschön nichts mit dem E-Dampfen zu tun, der wird spätestens dann eines Besseren belehrt werden, wenn Gesetze, Verordnungen und Einschränkungen, gegen die dann niemand mehr vorgehen kann, das Dampfen verbieten oder wenn Zensur und Richtlinien unsere freie Kommunikation beeinträchtigen oder wenn sämtliche Kritik an die Gegner des Dampfens von der durch die Medien bewusst uninformiert gehaltene Mehrheit der Bevölkerung als Geschwurbel diffamiert werden wird. Ein letztes Mal: die Freiheit verschwindet zentimeterweise und ihre Wegnahme wird begründet werden - na, mit was? - mit unserer Verantwortung.

    Heute, jetzt, justamente - also 2021 wird das Jahr, in dem sich herausstellt, ob wir für die Kontrolle der Regierung gewappnet sind oder nicht. Ob wir überhaupt dazu bereit sind oder nicht. Und im Herbst sehen wir das Ergebnis.

    Wer schweigt, stimmt zu. Und jetzt würde ich noch gerne das andere Video "Ich mach da nicht mehr mit" zum Abschluss hier einstellen, doch aus Rücksicht auf Melone (um sie dadurch nicht vorzuführen), verzichte ich darauf, nett und lieblich, wie ich nun mal bin.

  • @Monomond in einem Punkt hast Du mich tatsächlich missverstanden, ich wollte das Video nur nicht im Wichtelthread haben, Du findest es jetzt im Randgelaber.

    Und ich erlebe die Situation ganz anders und finde es schon fast perfide, Dampfverbote o. ä. mit den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu vergleichen (die Pandemie erlebst Du allerdings ganz sicher anders als ich).

    Selbst das Rilkegedicht interpretiere ich anders. Vielleicht beeinflusst durch meine damalige Deutschlehrerin.

    Aber sind wir nicht alle (unter anderem) das Ergebnis unserer Erziehung? ;)

    In meiner Welt war und ist es immer richtig und wichtig, die "unbequemen" Stimmen zu hören und deren Gesagtes zu überdenken. Immer mit der Freiheit, mich anzuschließen oder eben zu einem anderen Ergebnis zu kommen, das ich dann auch vertreten kann und sogar darf ;)

    Aber, und das überrascht vermutlich nicht, eben nicht hier. Nicht in diesem Forum. Einem Dampferforum.

  • @Monomond

    Es ist immer gut, das ganze im Auge zu behalten, aber genauso ist es immer schlecht, Details willkürlich mit einander zu verknüpfen. Pandemie betrifft alle Menschen und, ganz wichtig, dies nicht gewollt/freiwillig. Dampfen betrifft nur einen kleinen Teil der Menschen und das auch freiwillig. Das macht die beiden Dinge nicht so einfach mal vergleichbar. Wenn Zwang da ist, ergeben sich daraus ganz andere Anforderungen als bei freiwilligen Dingen. Die Pandemie zwingt uns zur Reaktion, weil sie eben Leben gefährdet (im physischen als auch ökonomischen Sinne). Das Dampfen tut das nicht. Es ist eine Sache von "wollen", nicht "müssen".

    Dann kommt noch dazu, in welchem Raum will man was bewegen ? Hilft es, wenn man in einem Dampferforum die allgemeine Freiheit mit der Freiheit des Dampfendürfens gleichsetzt ? Oder stellt man dann nicht sogar die eigene Freiheit soweit vorne an, das sie die anderen Freiheiten verdrängt ? Freiheit ist nicht grenzenlos, sie nimmt einen Raum ein und dieser Raum ist nur eine "Parzelle" im Meer der Freiheiten aller. Wahre Freiheit gibt es gar nicht, sie wird durch Naturgesetze, durch Machbarkeit und natürlich auch durch Willen ganz natürlich begrenzt. Freiheit wie du sie beschreibst ist auch immer die Unfreiheit anderer ? Wenn wir also von unserer persönlichen Freiheit reden, meinen wir eigentlich immer, das wir unseren Freiraum größer wissen wollen, was immer bedingt, das der Raum der anderen sich verschiebt oder gar verkleinert.

    Wissen nutzt nur wenn man es anwendet. :midi36:

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    Es wurde bereits alles gesagt - nur noch nicht von jedem ;) (Karl Valentin)

  • Ob Kant, Rilke, Goethe oder sonstwer ... ich sags mal mit Karl Valentin: Es wurde alles bereits gesagt - nur noch nicht von jedem :lol04:

    Wissen nutzt nur wenn man es anwendet. :midi36:

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    Es wurde bereits alles gesagt - nur noch nicht von jedem ;) (Karl Valentin)

  • Ich glaube manche Dinge spielen sich hoch, weil Menschen eben unterschiedliche Erfahrungen machen. Die einen sehen sich und ihr Umfeld ungerecht behandelt, weil sie z. B. ihr business nicht wie gewohnt ausüben dürfen.Diese haben in ihrem Umfeld wahrscheinlich gar nicht erlebt, was der Virus anstellen kann, sonst würden sie für gewisse Maßnahmen mehr Verständnis zeigen. Ich kenne beides: den positiven, der Achselzucken gesagt hat "ich habe doch nichts" und der junge Mann, der ohne vorerkrankungen im Krankenhaus verstorben ist. Für die Familie war er einfach weg, als er abgeholt wurde, sie saß in Quarantäne und konnte sich nicht verabschieden. Ich kann schon gut verstehen, dass die Situation für viele extrem konfus und überzogen wirkt, wenn sie nur die ersten und nicht die 2. Fälle kennen. Ich sehe auch, dass sich die Regierung hier relativ stümperhaft schlicht unerfahren fortbewegt. Vielleicht würde es helfen, wenn Menschen wie Melone einfach ungefiltert darstellen, was sie so alles erleben MÜSSEN

    Edit: oh shit, das war wieder ein regelverstoß meinerseits. Falls total unangebracht einfach komplett löschen. Ich wäre nicht böse drum.

    Einmal editiert, zuletzt von Illmix (2. Mai 2021 um 15:16)

  • Es ist ja wenigstens nett, dass das Posting nun doch wieder erscheint. Löschen, dann nicht mehr löschen, verschieben, Threads schließen - Mensch, ich bin nicht mehr so jung, da komme ich gar nicht mehr mit :)

    Und Danke, @Ingo, für die Verwarnung von Vapoo und für die autoritäre Drohung "nochmal, dann Sperre". Nochmal was? "Nicht Dampf bezogene Themen" posten? *hüstel*, dann wäre das Forum aber ziemlich leer. Außerdem ist der Post dampfbezogen. Es geht nicht um Corona in dem Post, sondern um die schleichende Wegnahme von Freiheit.

    Naja, mir kann man eh nicht drohen, dafür liebe ich viel zu sehr die Freiheit der Gedanken in Wort, Schrift und Bild .

  • Lieber @Monomond, wenn du mich zitierst dann bitte richtig!

    „... ich bitte dich, die politische Diskussion über „Nicht Dampf Bezogene“ Themen hier im Forum zu unterlassen. Es passt hier nicht hin.

    ...

    Deine Kritik an Politik in allen Ehren, aber hier ist nicht der richtige Platz dafür.„

  • *seufz*

    Illmix das ist nicht so wahnsinnig schön, was ich erlebe.

    Aber ich kann ja mal einen groben Überblick geben, wie so ein Dienst aktuell sein kann. Es fängt zu Hause an, ich packe frische Unterwäsche, Socken und Duschkram ein, natürlich auch Dampfen, Liquid usw. Dann die Fahrt, Maske an, auf Station gehen, umziehen.

    Ich gehe ins Stationszimmer, stelle meinen Korb ab, sage Hallo, gucke ans Board, seufze.

    Dampfen, Liquid und Handy kommen in einen verkleben Plastikbeutel, dazu noch die Dampfen, Kippen und Handys der Kolleg*innen.

    In der Schleuse zum Covid-Bereich Schutzkleidung anziehen. Blaue (oder rote, orangene, was halt farbig lieferbar ist) Handschuhe, Overall, Häubchen, andere Maske, Visier, weiße Handschuhe. Den Plastikbeutel in die "Schleuse" (ehemals Geräteraum) zum Balkon tragen.

    Übergabe, x geht's besser an der NIV DNR/DNI gilt weiterhin, y liegt auf dem Bauch bis 8.00 Uhr, z ist gestorben, da liegt jetzt a mit Nierenersatztherapie, b hängt an der ILA, c liegt bis 2.00 in der dritten Runde auf dem Bauch, DNR Formular ist unterschrieben, d ist an der NIV, aber die Intubation scheint unumgänglich.

    Die Kollegen gehen.

    Wir teilen uns auf, mir "gehören" c und d.

    Normaler Check, welche Medikamente/Infusionen laufen wie, ist für alles ein Ersatz aufgezogen und liegt bereit? Wie sind die Beatmungsgeräte eingestellt? Blutgaskontrolle, ein paar Worte mit d, aber er ist schon weit weg, kein Wunder, sein CO2 ist weit entfernt von jedem Normwert, ich gebe mehr "Druck", er stöhnt. Bei X gibt es roten Alarm, ich renne hin, alles schon wieder okay, die Maske war undicht, die Sättigung gefallen. Die Ärztin fragt nach der BGA von d und wir bereiten die Intubation vor, führen sie durch, zwischendurch wechseln die Kollegen bei C ein paar Medikamentenspritzen in den Spritzenpumpen, ich habe ein Ohr und manchmal auch ein Auge auf alle, aber gerade beide Hände voll.

    Die erste geht in Maskenpause, bei D fällt der Blutdruck, die Medikamente zur Blutdruckunterstützung werden gesteigert, erfolglos. Der Monitor zeigt 40/20 an, ich messe manuell nach, lasse in Hochgeschwindigkeit Infusionen einlaufen, kippe das Bett mit dem Kopfteil nach unten, der Kollege guckt, die Kollegin kommt dazu, die Ärztin auch. Der Blutdruck ist kein Druck mehr, auch D hat die Reanimation abgelehnt, wir gucken uns an, Kopfschütteln, wir suchen nach der Konfession, r. - k., ich bete ein kurzes Gebet für d, während ich seine Hand halte und er stirbt. Das Covid-Handy klingelt, noch während der Asystoliealarm ertönt, ob wir noch ein Bett für eine sich verschlechternde Patientin von der internistischen Covid-Station haben? "gleich" antwortet die Ärztin, während ich den Fensterschlüssel suche, um Ds Seele fliegen zu lassen. Er kommt in einen schwarzen Sack,ich schließe das Fenster und reinige den Bettplatz, es summt, klingelt und brummt überall, auch in meinen Ohren. Jetzt mache ich Balkonpause, die Ärztin kommt mit. Wir ziehen unsere weißen Handschuhe aus, blaue Überkittel an, Masken und Visiere aus. Die bauliche Fehlkonstruktion des Balkons ist jetzt ein Segen, sie steht 4m von mir entfernt und telefoniert mit den Eltern von D, ich dampfe. Lese vielleicht hier. 15min Pause sind eigentlich zu kurz.

    Hm ja.. Ich weiß nicht, ob das irgendwie hilft, sich das vorzustellen?

  • das ist nicht so wahnsinnig schön, was ich erlebe.

    Ich denke genau deshalb sollte Erfahrungen wie diese viel öfter ausgesprochen und gehört werden. Es ist ein allgemeines Umdenken und auch eine gewisse Orientierungslosigkeit Alltag. Ich habe selber meine Meinung öfter geändert als es mir lieb ist (die Industrie stirbt ab, geht ja nicht. Das gesundheitssystem droht zu überlastet...kacke geht ja auch nicht) und erst gefestigt, als ich im eigenen Umfeld die ersten Toten erleben musste. Deshalb vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht! Ich hoffe er wird oft gelesen.

  • Ich denke sobald die "unsichtbare Gefahr" ein Gesicht bekommt ist es für die Mehrheit unter uns begreifbarer umso mehr wenn das enge Umfeld davon betroffen ist.

    Mir als Oma fiel es besonders schwer die Ruhe zu bewahren als mein Schwiegersohn unbewusst dieses besch***** Virus nach Hause trug und meine Tochter nebst Enkelkind (zu der Zeit noch kein Jahr alt) infizierte.

    Er infizierte auch seinen Vater der aus diesem Grunde 14 Tage auf der Intensivstation lag. Meine Enkelin bekam hohes Fieber und vielleicht könnt ihr euch die Angst/Panik vorstellen, die die frisch gebackenen Eltern ausstanden. Was sollten sie tun, gegen die Quarantäne verstoßen oder nicht? Wadenwickel (auch Omas besitzen ein Grundwissen wie man Fieber senken kann) und fiebersenkende Zäpfchen aus der Apotheke (Danke nochmals an den Lieferdienst) haben dann geholfen. Meinem Schwiegersohn ging die Muffe, er plagte sich mit Selbstvorwürfen obwohl er sich ja nun wirklich nicht absichtlich bei seiner Arbeitskollegin angesteckt hat.

    Das Virus wütete dann weiter in meinem erweiterten Umfeld und ganz ehrlich: mittlerweile bekomme ich eine SCHEIßWUT wenn irgendwelche Heinis meinen diese Pandemie ginge sie nichts an und Maskenzwang wäre Freiheitsberaubung. Eremiten können ruhig machen was sie wollen, aber in einer Gesellschaft haben WIR alle auch ein stückweit Verantwortung für unsere Mitmenschen.

    Was Melone seit über einem Jahr ertragen muss ist auch dem Leichtsinn vieler Mitmenschen geschuldet. Liebelein Du hast meinen allerhöchsten Respekt!!!!

    #IchDampfeIchWähle #

  • Da meine Frau als Altenpflegerin arbeitet und nebenbei im örtlichen Impfzentrum,bekomme ich auch so einiges mit.

    Von mir den allergrößten Respekt Melone :thumbup:.

    Ihr seid ganz wichtig!!!

  • Naja, weiter geht's, ich gehe wieder rein, Überkittel aus, weiße Handschuhe an, frische Maske, Visier drüber. Habe ich schon erwähnt dass ich schwitze?

    Meine neue Patientin kommt, sie hat Angst. Ich verkabele sie, rede mit ihr. Sie ist jünger als ich, hat zwei kleine Kinder. Ihre ganze Familie ist positiv, aber nur sie hat es schwerer erwischt. Ich beginne die Schicht schei*e zu finden.

    Nebenan quakt die ILA, meine neue Patientin hyperventiliert, wir laufen hin und her, Blutkonserven werden geliefert, Gerinnungsfaktoren aufgelöst, das Labor ruft an, die Ablösekollegin "von draußen" (von der normalen Intensiv) ruft an, wann sie reinkommen soll, der Computer lässt mich D nicht entlassen, dann kann ich aber die neue Patientin E nicht "ins Bett legen", somit ist auch keine Dokumentation usw. möglich. Ich rufe an der Pforte an, bekomme eine brummelige Antwort (was soll ich denn noch alles machen?) bedanke mich freundlich.

    C erbricht. In Bauchlage allemal besser als in Rückenlage, dennoch..

    Wir entscheiden, ihn schon vor der Zeit zurückzudrehen. Alle 4 ans Bett, die Ärztin sichert den Tubus, wir drehen. Die Haut seiner Nasenspitze klebt am Silikonring, schade. Ich sauge ab, sieht gut aus, Lagekontrolle der Magensonde, hört sich falsch an, Sonde raus, neue rein, passt, sein Mageninhalt entleert sich in einen Beutel, E bekommt jetzt dauerhaft eine niedrige Dosis Morphium über eine Spritzenpumpe intravenös, A ruft laut um Hilfe, es gibt ein Stuhlgangproblem, ich wasche C, der Kollege geht in Pause, ein Oberarzt schwebt durch den Raum, hatte ich schon erwähnt, dass es laut ist? Und ich schwitze, meine Füße schwimmen und noch ein paar unattraktiv Details mehr. Noch mal kurz auf den Balkon, ich kann einen Liter stilles Wasser in 5 Minuten trinken, konnte ich vor Covid auch nicht.

    Ich versorge Cs Nase mit einer speziellen Wundauflage, spreche nochmal mit E, sie ist sehr ruhig, atmet aber gut. Ich reduziere trotzdem die Flussrate, zu ruhig ist auch nicht gut. Ich dokumentierte, jetzt läuft die EDV wie sie soll.

    Jetzt kommt der Kollege wieder, ich habe Pause. 45 + 5 Minuten.

    Ich pelle mich aus meiner Schutzkleidung, staune mal wieder über die Müllberge. Ab in die Umkleide, Klamotten, Schuhe und Duschzeug schnappen, duschen, frische Klamotten und Schuhe anziehen, leckere Tütensuppe aufgießen und in Balkonien verzehren, dampfen, seufzen und trinken.

  • mittlerweile bekomme ich eine SCHEIßWUT wenn irgendwelche Heinis meinen diese Pandemie ginge sie nichts an und Maskenzwang wäre Freiheitsberaubung.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das boshaft meinen: sie wissen es nicht besser. Für einige Aussagen, die ich letztes Jahr noch getroffen habe könnte ich mir heute in den Arsch treten.

    Ich hoffe wir können mehr vermitteln als bekämpfen. "Du laberst scheiße, du blöder Querdenker" hilft keinem weiter. "Ich erzähle dir mal, was ich erleben musste"wird Augen öffnen. Dann sind es nicht mehr irgendwelche Zahlen und irgendwelche Berichte der Presse, die ja eh lügt, sondern Worte von greifbaren Menschen. Die Situation ist eh schon schwierig, da braucht es nicht noch Nebenkriegsschauplätze.

  • Es gibt auch einfach die, die keine Masken tragen können. Aus körperlichen oder psychischen Gründen. Und ich kann mir vorstellen, dass einige, die keine Maske tragen wollen, weil es sie gefühlt in ihrer Freiheit unerträglich einschränkt, auch keine Maske tragen können.

    Aber manchmal wünsche ich mir, dass die "Schreihälse" mal eine Nacht mit mir arbeiten. Von mir aus könnten sie Kniebeugen machen, während ich körperlich arbeite. Aber dabei sein und gucken.

    Edit: den restlichen Dienst erspare ich uns jetzt.

  • Ich glaube die machen nicht viele Kniebeugen, die setzen sich erst mal hin und werden blass 😉

    Ach es ist ja nicht nur die Maske, sondern so viele Argumente die in meinen Augen durch schlichte Unwissenheit fallen.

    Melone großartig, dass du so tapfer an der Front kämpfst. Ich wünsche dir und all deinen Kollegen von herzen, dass es bald besser und nicht schlimmer wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Illmix (2. Mai 2021 um 16:54)

  • Ich hatte ja zum Thema Verantwortung schon den pathologischen Zeitgeist hier (RE: Krisengelaber) umschrieben und will mich nicht wiederholen.

    Ganz kurz möchte ich aber dazu noch sagen:

    • Man hat nicht eine Verantwortung VON etwas, sondern ZU etwas, nämlich zu seiner Entscheidung im täglichen Hier und Jetzt.
    • Man hat auch nicht nur eine Freihat VON etwas, sondern vor allem eine Freiheit ZU etwas, nämlich zu seiner Verantwortung für sein Erleben oder Erschaffen.

    In diesem Sinne sind diese beiden ( zuhauf strapazierten) Begriffe nur Kehrseiten ein- und derselben Medaille und gehören immer zusammen. So wäre es durchaus auch passend, wenn nicht nur an der Ostküste von Amerika eine Freiheitsstatue stehen würde, sonder ebenso an der Westküste eine Statue zur Verantwortung. Beides gehört zusammen und bedingt sich einander - für jeglichen Wert im Leben, den man (vor seinem Gewissen oder dank seiner inneren Stimme) für sich als sinnvoll erkannt und verwirklichen möchte!

    Diese Statuen könnten aber auch in jedem Unternehmen, in jedem Büro oder letztendlich in jedem Herzen von uns Menschen stehen. Denn jeder Mensch hat einen freien Willen (allen fehlinterpretierten neurobiologischen Experimenten zum Trotz) und damit auch immer die Verantwortung für seine Entscheidungen....

    .... oder nochmals anders ausgedrückt, weil ich dies in diesem Thread für so elementar wichtig halte:

    Nur wenn ich die Freiheit habe, eine Entscheidung zu treffen, bin ich auch für die Konsequenzen verantwortlich. Nur dann – aber auch immer dann.

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

    2 Mal editiert, zuletzt von Bernie (2. Mai 2021 um 17:21)

  • Wie heisst es immer so schön? Wer schreit hat Unrecht ;)

    Leider wird in den Medien immer der kleinen, aber radikalen Minderheit mehr Aufmerksamkeit gegeben, wie der "normalen" Masse. Der "Schreihals" steht immer vorn auf Seite 1.Die, die laut schreien sind eben interessanter wie die große Masse, die keinen Lärm produziert sondern einfach nur friedlich Zeitung liest :D

    In unserer durch und durch medialen Welt sieht kaum noch einer das gesamte Bild, jeder heischt mit noch mehr "besonders sein" um Aufmerksamkeit und am Ende ist keiner mehr aufmerksam, weil einfach nur hoffnungslos überflutet. Ein realistisches Bild gibt die gesamte Medienlandschaft jedenfalls nicht, meiner Meinung nach.

    Wissen nutzt nur wenn man es anwendet. :midi36:

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    Es wurde bereits alles gesagt - nur noch nicht von jedem ;) (Karl Valentin)

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