ZumaFx Was du zur Freiheit und Verantwortung schreibst, scheint ein wenig konfus (mea culpa, vielleicht verstehe das ja nur ich nicht). Deshalb bat meine klapprige Tastatur, ebenfalls ein, zwei Zeilen zum Thema zu verfassen. Über die Freiheit in einem Dampferforum zu schreiben, sollte wohl erlaubt sein, denn sie hat mit dampfen sehr viel mehr zu tun, als gemeinhin angenommen wird. Allerdings finde ichꞌs schon recht knifflig, die richtigen Worte zu finden, weshalb ich mal mit einem Beispiel beginne.
Stell dir folgendes vor ZumaFx:
Die Regierung verbietet das Dampfen. Als Grundlage dienen ein paar Studien. Verbot hin, Verbot her (für andere), du jedenfalls beklagst dich daraufhin über die Beschränkung deiner persönlichen Freiheit und forderst mehr Eigenverantwortung.
Nichtdampfende Leute entgegnen dir nun, dein Verhalten sei verantwortungslos, da das Verbot schließlich zum Schutz aller übrigen Menschen (vor allen Dingen der Kinder, der Kinder!) getroffen wurde. Einige sprechen gar davon, dass zur Freiheit eben auch die Verantwortung gehöre und dass du als verantwortungsbewusster Bürger deshalb den neuen Regeln zu folgen hast.
Du wiederum bietest eine ganze Menge Studien auf, deren Erkenntnisse kein Dampfverbot rechtfertigen. Die Regierung antwortet dir aber nicht und lässt durch gekaufte Medien verbreiten, du und Leute deines Schlages seien Aluhut-Träger und ihr verbreitet Verschwörungstheorien. Das regt dich vielleicht auf und du schimpfst oder du erregst dich in der Öffentlichkeit laut über so viel Ignoranz, schon verwandelst du dich in einen Hassredner, der überall nur Hetze verbreitet.
Du erkennst vielleicht an diesem kleinen Beispiel, wie relativ Begriffe wie die der Verantwortung sind und wie leicht sie missbraucht werden können. Für jedes gute Vorhaben, absolut egal wofür, lässt sich der Verlust von ein ganz bisschen Freiheit begründen. Die Freiheit stirbt dabei zentimeterweise. Nur ein ganz kleines Stück, darüber kannst du dich nicht ernsthaft aufregen. Unter Verantwortung verstehen beide Seiten etwas diametral entgegengesetztes.
"Vielosoffisch" lässt sich das sogar auf die Spitze treiben. Stelle dir einen Krieg zweier Länder vor, bei dem auf beiden Seiten die jungen Männer freiwillig singend voller Überzeugung in die Schlacht ziehen. Die Alten in deren Rücken loben sie dafür und bestärken das "verantwortungsbewusste Handeln der jungen Generation zum Überleben der Gemeinschaft". Die Präsidenten beider Länder ehren die jungen Soldaten und behängen die mutigsten unter ihnen mit glitzernden Orden, die die stolzen Krieger noch ihren Urenkeln zeigen und dazu die spannendsten Geschichten zu erzählen wissen. Die Kinder lauschen gebannt ...
Genau wie der scheibchenweise Verlust der Freiheit, so lässt sich auch mit dem Begriff "Verantwortung" einfach alles rechtfertigen, schwarz oder weiß, Wohl oder Weh inklusive sämtlicher Mischformen. Freiheit hingegen, also die lebendige, vorhandene Freiheit, steht für sich selber. Sie ist universell. Nichts bedingt die Freiheit und nichts schränkt sie ein, denn wenn es so wäre, wäre es ja keine Freiheit mehr.
Geht sie aber verloren - und wie gesagt, dies geschieht fast unmerklich, zentimeterweise, scheibchenweise, dann sterben am Ende mit ihr die Seelen aller Menschen. Ohne individuelle Freiheit sind wir Borg-Drohnen.
Viel besser kommt das in Rilkes Gedicht vom Panther zum Ausdruck:
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Die bürgerlichen Freiheiten in einer Demokratie beinhalten bereits die Eigenverantwortung, so wie du sie im oberen Beispiel mit dem Dampfverbot von der Regierung einforderst. Freiheit ist daher auch immer dein Eigentum. Ohne Freiheit keine Eigenverantwortung. Eine kollektive Freiheit könnte leicht ins Chaos führen, in die Anarchie (die für manche Zeitgenossen bekanntlich ein angestrebter Zustand ist - gewiss ohne sie selbst jemals erlebt zu haben). Also muss jeder einzelne Mensch die Verantwortung für sein Tun und Handeln selber übernehmen. Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich. Gibt man diese Verantwortung ab - an einen Staat als Fürsorger, und sei es auch noch so gut gemeint - dann entmündigt man sich selber und zeigt überdies, dass man außerstande ist, eigenverantwortlich zu leben. Man macht sich selber wieder zu einem Kind in einer Kita-Gruppe (sicher, auch das ist für einige Zeitgenossen ein erstrebenswertes Ziel).
Es steht also die Frage im Raum: ist das Forum eine Krabbelgruppe oder ein virtueller Begegnungsraum freier selbstbestimmter Menschen?
Das zum einen. Also grundsätzlich zur Natur der Verantwortung und der Freiheit. Jetzt wird es aber erst so richtig interessant. Denn wer bestimmt darüber, welche und wie viel Freiheit wer, wie wann und wo bekommt? Und wer kontrolliert letztendlich diesen bzw. die Bestimmer?
In der Regel machen es erst mal die Gesetze, meist Verfassungen, da es bei der Freiheit um Übergeordnetes geht. Unser Grundgesetz definiert genau das und bestimmt seit Jahrzehnten, wie ein eventuell notwendiger Prozess bei einer Anpassung oder Auslegung auszusehen hat. Aus schlechter Erfahrung der Vergangenheit wurden bestimmte Regeln niedergeschrieben, die ein Durchregieren eines zentralistischen Staats verhindern sollen. Diese Regeln sollten unantastbar gelten. Der föderale Aufbau unseres Landes ist sein Grundgerüst. Anpassungen an die Realität sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor, sie geschehen immer mal wieder, doch am Gerüst des Landes sollte eben nicht gerüttelt werden (Rütteln ist natürlich okay, Rütteln und Schütteln vertreibt Staub, gemeint ist hier natürlich, dass es nicht abgeschafft, auseinandergebaut, beschädigt oder zerstört wird). Das könnte man zwar machen, doch dann muss man wissen, dass man dadurch fortan in einem neuen anderen Land leben würde. Das funktioniert schon, denn auch in autokratischen Gesellschaften existiert ein gutes privates Leben - halt nur nicht für alle.
Genau das, eine Beschädigung des Grundgerüsts, war jetzt innerhalb von zwei Jahren zwei Mal geschehen. 1. beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz und 2. beim Infektionsschutzgesetz. In beiden Fällen wurden grundgesetzliche Bestimmungen umgeschrieben, die nun erlauben, die Freiheitsrechte der Bürger*innen einzuschränken und den Föderalismus für bestimmte (ist reine Definitionssache) Zustände außer Kraft zu setzen. Wir befinden uns bereits Heute in einem anderen Land als noch vor zwei Jahren. Wesentliche Schutzmechanismen des alten Landes existieren nicht mehr. Jetzt beginnt also (rein theoretisch) die Aufgabe der Kontrolle.
Wer sind diese Kontrolleure?
Niemand anderes als wir alle, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und genau deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass jedem einzelnen Menschen diese Aufgabe auch bewusst wird. Nur wir selber können die Bürgerrechte schützen und sie im Falle einer Beschädigung reparieren.
Bereits 2011 hatte das in unglaublicher Weitsicht, die ich gerne als prophetisch bezeichnen möchte, der verstorbene Guido Westerwelle in seiner Abschiedsrede beim FDP-Parteitag vorausgesagt. Nehmt euch nur knapp zwei Minuten Zeit und hört zu, was er da sagt:
Jetzt ist es also an uns, an jeden einzelnen, in seiner oder ihrer eigenen Verantwortung - und zwar überall, in allen Bereichen des Lebens - der weiteren Zerstörung des Grundgerüsts unseres Landes entgegen zu wirken und nach Möglichkeit die bereits entstandenen Schäden wieder zu flicken. Der kleinste Schaden, über den sich einige vielleicht noch lustig machen und ihn als schlichte Macke abtun, wird unbehandelt zu einem größeren und am Ende die Ursache des Zusammenbruchs. Überall, immer.
Und da die Freiheit mit unsere Psyche eng verwurzelt ist, zeigt Rilkes Gedicht eindringlich, was mit uns, mit unseren Seelen geschieht, wenn wir nichts tun, wenn wir auf die Kontrolle der Regierung verzichten und uns darüber hinaus weiter mehr und mehr Freiheiten nehmen lassen. Diesen Schaden an der eigenen Seele zeigt auch ein modernes Gedicht, was ich euch nicht vorenthalten möchte, denn guckt und hört mal, nur fünf Minuten eines Zufallsfundes aus dem Web, aber fünf Minuten, die schaurig im Herzen haften bleiben, finde ich (ich weiß natürlich nicht, ob das alle so erleben wie ich. Isꞌ klar, so ist das eben mit der Kunst, nicht jeder empfindet dasselbe):
Wer jetzt glaubt, all dies habe doch bitteschön nichts mit dem E-Dampfen zu tun, der wird spätestens dann eines Besseren belehrt werden, wenn Gesetze, Verordnungen und Einschränkungen, gegen die dann niemand mehr vorgehen kann, das Dampfen verbieten oder wenn Zensur und Richtlinien unsere freie Kommunikation beeinträchtigen oder wenn sämtliche Kritik an die Gegner des Dampfens von der durch die Medien bewusst uninformiert gehaltene Mehrheit der Bevölkerung als Geschwurbel diffamiert werden wird. Ein letztes Mal: die Freiheit verschwindet zentimeterweise und ihre Wegnahme wird begründet werden - na, mit was? - mit unserer Verantwortung.
Heute, jetzt, justamente - also 2021 wird das Jahr, in dem sich herausstellt, ob wir für die Kontrolle der Regierung gewappnet sind oder nicht. Ob wir überhaupt dazu bereit sind oder nicht. Und im Herbst sehen wir das Ergebnis.
Wer schweigt, stimmt zu. Und jetzt würde ich noch gerne das andere Video "Ich mach da nicht mehr mit" zum Abschluss hier einstellen, doch aus Rücksicht auf Melone (um sie dadurch nicht vorzuführen), verzichte ich darauf, nett und lieblich, wie ich nun mal bin.