Mal ein Experiment (was mit Fotos) ;-)

  • Tut mir leid, aber ich kann da nichts speziell interessantes sagen, was Du von uns Betrachtern eingangs forderst. Sicherlich könnte man eine Menge mit viel Phantasie hineininterpretieren und dabei über Gott und die Welt philosophieren. Aber da ich als engagierter Hobby-Fotograf schon viel von Profis in Kursen gelernt- und auch viele Bildbesprechungen in meinem Fotoclub oder im Nikonforum gemacht habe, fällt mir beim Anblick dieses Fotos lediglich spontan ein, was hier wohl nicht gefragt sein wird: In meinen Augen kommt es mir vor, als ob jemand nur mal eben aus dem fahrenden Auto was flüchtig geknipst hat oder man wollte rein zur Dokumentation auf die verwaiste Plakatwand oder die zu renovierenden Hauswände aufmerksam machen, was aber ja schon Illmix genannt hatte. :Denk1:

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

    Einmal editiert, zuletzt von Bernie (17. Juni 2020 um 11:18)

  • Ich würde hier auch gern mal wieder was schreiben, hab aber leider keine Zeit momentan...

    Broterwerb - Familie - die Welt der Musik - Fotokunst; tja, das wäre dann wohl tatsächlich ein "Itzken" zu viel - zumal, was soll dabei herauskommen? Wirre Kontrastvariationen in gewischten Farben begleitet vom verfremdeten Klang einer schnaubenden Lokomotive? Keine Eile, lieber Thomas, in der Ruhe liegt die Kraft: Ooohhmm ^^

  • Wenn ich mich nochmal melden darf, dann lasse ich doch einmal meiner Phantasie freien Lauf, meditiere und warte, was hier für Gedanken in mir aufsteigen, gespickt mit Vermutungen, Annahmen oder irrealer Stimmungen, die aber auch grundfalsch sein könnten:

    Die Vielzahl von Wänden dienen vielleicht ganz pragmatisch zunächt erst einmal als ein grundsätzlicher Schutz vor dem Lärm der wahrscheinlich verkehrsreichen Straße und verhindert den Blick auf die dahinter leigende Villa der Hausbesitzer.

    Es fällt deutlich auf, dass hier alles zugemauert ist, von der zugepflasterten Erde ohne Pflanzen und Bäume bis zu einer Beton- oder zugemauerten Welt ohne Rücksicht auf die Natur. Die Besitzer wollen in der Wohnung sich vielleicht nicht zeigen oder ihre Inneneinrichtung preisgeben. Sie sind menschenscheu und übervorsichtig, sich wie hinter Burgmauern einigeln zu wollen nach dem Motto: "My home is my castle".

    Warum lassen sie ihre Aussenwelt so ungepflegt?

    • Haben sie vielleicht kein Geld,
    • wollen sie ihr Geld lieber in eine prächtige Innenausstattung investieren,
    • ist ihnen die Außenwelt egal oder
    • fürchten sie sich vor fremden Augen,
    • haben sie was zu verheimlichen, oder
    • fehlt ihnen nicht nur für eine vernünftige Renovierung der Außenmauern das Geld, sondern auch für die Innenwelt ist kaum Geld da und dies wollen sie verschämt verhindern, dass dies die vorbeigehenden Leute bemerken könnten?
    • Oder die Wohung steht leer, da die Besitzer schon lange verzogen sind und ihre Bleibe hier nicht verkauft bekommen?

    Das Äußere könnte auch ihre Wertvorstellung wiederspiegeln, was ihnen die Außenwelt bedeutet, sich auch um andere Wesen, Nachbarn und Kinder zu kümmern, um sich lieber nur um das eigene Wohl zu sorgen.

    Sieht man die Mittleklasse-Autos hier so rumstehen, kommt auch der Gedanke auf, ob hinter der Mauer nicht auch eine großzügige Garage existiert, wo deren gewienerten, dicken SUVs stehen: entweder als Schutz vor eventuellen Räubern, Randalierern oder soll bei den Anwohnern kein Neid entstehen über den wahren Reichtum - oder anders herum man nicht preisgeben will, welch existenzbedrohliche Armut hinter den Mauern besteht?

    Es scheint hier draußen ungemütlich kalt zu sein, wo die dunkle Wolke signalisert, dass es schon einmal geregnet hat, zumal unten die Pflastersteine ja schon beginnen sich wieder abzutrocknen?

    So wird man neugierig, ob man hinter den Mauern kuschelich warm und gemütlich wohnt oder man auch dort in eine kahle und ungemütliche Wohnlandschaft blickt. Aber dies wird einem ja verwehrt. So herrscht letztendlich hier eine gewisse Trostlosigkeit und eine fehlende Achsamkeit gegenüber der Natur, die völlig zugemauert kaum Luft zum Atmen gibt...

    Kann es sein, dass du Thomas genau auf solche Interpretationen von uns gehofft hast? Nun.... ich hoffe, ich konnte jetzt mal ein wenig dazu beitragen, ohne mich um fotografische Prinzipien zu kümmern... ;)

    Wenn ich darf, würde es mich auch durchaus mal reizen, das Bild nach meinen Vorstellungen zu kolorieren oder mit Deiner nüchtenen Vorlage eine bunte Serie von Verfremdungen zu kreieren? :victory01:

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

    5 Mal editiert, zuletzt von Bernie (18. Juni 2020 um 02:01)

  • Erst anfixen und dann stehen lassen

    Ja sorry. Das tut mir wirklich leid. Aber mir purzeln die Wörter halt nicht einfach so aus dem Kopf wie anderen Menschen. Ich brauche ein wenig Zeit um das Chaos zwischen meinen Ohren etwas zu bändigen damit etwas heraus kommt was die Menschen auch verstehen. Zeit ist bei mir aber gerade sehr knapp.

    Aber da ich als engagierter Hobby-Fotograf schon viel von Profis in Kursen gelernt- und auch viele Bildbesprechungen in meinem Fotoclub oder im Nikonforum gemacht habe

    Genau darum geht es ja gerade nicht. In Kursen bei den Profis habe ich ebenfalls viel Geld und Zeit investiert. Technisch gesehen hat mir das zwar das Rüstzeug gegeben welches man benötigt, aber in den letzten Jahren hat mir das "übliche" Vorgehen bei in Fotografie einfach nichts mehr gegeben. Jeder ambitionierte Fotograf hat so seine eigene Motivation und Interessen an den vielen Facetten die es in der Fotografie gibt.

    Aber das aus meiner Sicht große Problem ist, dass die allermeisten Fotografen ihre Fotos machen damit andere sie betrachten. Was ja irgendwo natürlich und im Grunde auch das Wesen der Fotografie ist. Sie erzeugen so zwangsläufig ein Abbild von etwas, das in irgend einer Form für andere interessant sein muss. Instagram und Co. haben das noch auf die Spitze getrieben. So werden Unmengen an Fotografien produziert die einer Breiten Masse gefallen müssen. Und die Breite Masse will nun mal unterhalten werden. Auch der "WOW"-Effekt spielt natürlich eine große Rolle. Und so wird die uns umgebende Realität hier zum größten Teil ausgeblendet. Die Menschen wollen etwas Schönes sehen oder auch etwas, was in irgendeiner Form ungewöhnlich oder spannend ist. Das ist es, wovon die Menschen geradezu besessen sind und es ist das, dem die meisten (Hobby)Fotografen gerecht werden wollen. Natürlich will ich das nicht verurteilen. In einem guten Foto steckt extrem viel Wissen und auch jede Menge Arbeit. Und jeder soll genau das tun was er möchte. Eine zeitlang war das auch für mich spannend und ich habe sehr viel Zeit mit den Produkten von Adobe verbracht um an diese Qualität zu kommen.

    Nur um dann festzustellen, dass mich das alles unglaublich langweilte und dieser stete Strom an superoptimierten Fotos die den Betrachtern eine völlig unrealistische Sicht auf die Dinge vermittelte mir immer öder wurde. Würde ich von Fotografie leben wollen, auf diese Art würde es mir keinen Spaß machen.

    Und um noch mal auf mein Foto zurück zu kommen: es zeigt etwas für das sich niemand auch nur im geringsten interessiert. Aber genau das ist die Realität welche uns umgibt, die aber niemand beachtet. Fotografen wie z.B. Martin Parr sind mit diesem absolut Alltäglichen berühmt geworden. Mein Favorit ist und war schon immer Bruce Gilden, der an dieses Alltägliche auch noch ganz nah heran geht und den Blitz zu Hilfe nimmt um uns unmissverständlich klar zu machen um was es sich hier handelt. Das entblöst schonungslos die nackte und oftmals "hässliche" Realität die viel mittlerweile komplett verdrängen, im Grunde aber Normalität ist. Gleichzeitig tritt die Persönlichkeit der fotografierten Person hervor. Leider bin ich auch nicht so mutig wie er und halte den Menschen Blitz und Kamera direkt vor die Nase und drücke ab. Na ja. Ich könnte dazu endlos weiter vor mich hin schreiben.

    So ist mein Foto nicht aus dem Auto heraus (wogegen eigentlich nichts zu sagen ist) sondern mit großer Sorgfalt aufgenommen worden. Es gibt mehrere Versionen, aus denen ich dieses dann ausgewählt habe. Dieses Foto ist bei mir direkt um die Ecke entstanden. Ein Ort, an dem ich schon 1000e Male vorbei gegangen bin (liegt auf dem Weg zum Gemüse und Obst-Dealer) und immer wieder berührte (irritierte?) mich diese Plakatwand. Ich kann natürlich nicht sagen warum das so ist und ich versuche auch nicht großartig in mir zu horchen. Dieses Foto hält diesen Moment der Berührung nun für immer für mich fest. Man kann das wohl als ein kleines Fenster zu meiner Seele betrachten. Auch ein Grund, warum ich diese Fotos eigentlich niemandem zeige.

    Lieber wäre es mir gewesen, wenn die Autos dort nicht gestanden hätten. Das hätte der Komposition besser getan. Ich hätte noch mit Photoshop etwas versuchen können, was aber so gar nicht meine Sache ist. Aber man kann sich das ja leider nicht aussuchen, und letztendlich ist es für mich auch vollkommen irrelevant ob die Autos dort stehen oder nicht.

    Jetzt komme ich aber endlich mal zum Punkt. Aber ich würde da an eurer Stelle jetzt keine geistigen Höhenflüge erwarten:

    Hier kamen ein paar Gedanken (ich gehe jetzt nicht einzeln darauf ein) die ebenfalls in meine Denkrichtung zielten. Ich persönlich würde dieses Foto wohl als Konsumkritik sehen. Was auch immer mal auf dieser Werbefläche klebte gaukelte dem Betrachter wahrscheinlich etwas vor das so nie existiert hatte. Möglicherweise waren es die Angebote des örtlichen Supermarktes wo ein Kg Hackfleisch halb und halb für 99 Cent angeboten wurde. Natürlich mit dem übertrieben roten Fleischballen und einem knallroten Preisschild mit Ausrufezeichen dahinter. Was auch immer es war: es war eine Traumwelt von der Dicke eines Papiers mit ein wenig Leim dahinter. Entfernt man diese dünne Schicht Parallelrealität tritt das wahre Wesen dieses Ortes ans Licht welches in einem harten Kontrast zu dem steht was er mal repräsentierte als die Wand noch "beklebt" war. Nun wird die Plakatwand aber nicht mehr benötigt und bleibt unbeachtet sich selbst und ihrem Elend überlassen. Vielleicht träumt sie von den guten alten Zeiten als noch alle zu ihr aufschauten, sie anlächelten, sie möglicherweise sogar Gegenstand diverser Gespräche der Dorfbewohner untereinander war, während sie nun langsam aber sicher zerfällt.

    Im Grunde beschreibt das die etwas wehmütig-traurige Stimmung die mich zum Zeitpunkt der Aufnahme ergriffen hatte.

    Jetzt könnte man das Ganze natürlich noch als Metapher sehen und Parallelen zur heutigen Gesellschaft ziehen, was die meisten von euch ja instinktiv gemacht haben.

    Perspektivlosigkeit, Nebenstraße, was bleibt

    Das finde ich interessant deswegen, weil das nicht im Geringsten die Realität im Dorf widerspiegelt, dein Gedanke aber sehr nachvollziehbar ist. Für ein paar Menschen hier ist das mit Sicherheit so (da könnte ich ein paar Geschichten erzählen), allerdings lebe ich in einem der reichsten Landkreise Deutschlands. Erst heute habe ich bei besagtem Gemüsehändler 15 Euro für ein Kg Wiesbadener Kirschen bezahlt. ^^ Fast schon Schweizer Verhältnisse hier... ;) Das Foto hat also wohl auch für ein Framing gesorgt. Da hat Bernie mit den dicken SUVs schon eher direkt ins Schwarze getroffen.

    Kann es sein, dass du Thomas genau auf solche Interpretationen von uns gehofft hast?

    Ja genau. Im Grunde ist diese Plakatwand ja nur ein Gegenstand auf den man fokussiert und dann seine Gedanken entwickelt. Man vergisst dann einfach mal das was man gelernt hat oder auch das was man meint, was z.B. ein Foto ausmachen sollte. Schließlich kann man auch das als Mauer im Kopf betrachten die zu vergessen manchmal nicht schaden kann.

    Ich hoffe, ich habe das Thema nicht ganz verfehlt,

    Nö, überhaupt nicht. Du hast außerdem noch die passende Geschichte zu meinem nächsten Foto erzählt. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Thomas (20. Juni 2020 um 20:57)

  • Danke Thomas ,

    deine Gedanken zur Fotografie decken sich stark mit meinen und die zur "Realität und andere Fakes" auch.

    Diese ganze Instagram und FB-Poserei hat die "Sau namens Bilder" zu Tode geritten in meinen Augen, selbst wenn man heute ein super Foto macht, ist es nur noch eins von vielen.

    Da gefällt mir deine "Normalität" ausnehmend gut, es sagt viel mehr, wie so manches Hochglanz-Insta-Foto.

    Wissen nutzt nur wenn man es anwendet. :midi36:

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    Es wurde bereits alles gesagt - nur noch nicht von jedem ;) (Karl Valentin)

  • Auf jeden Fall danke - ich fand das mal eine sehr schöne, spannende Sache, mich so mit einem Foto auseinander zu setzen.

    Man kann das wohl als ein kleines Fenster zu meiner Seele betrachten. Auch ein Grund, warum ich diese Fotos eigentlich niemandem zeige.

    Und nun fühle ich mich auch noch extrem geehrt - dass du es uns dann doch gezeigt hast.

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  • ...Ja genau. Im Grunde ist diese Plakatwand ja nur ein Gegenstand auf den man fokussiert und dann seine Gedanken entwickelt. Man vergisst dann einfach mal das was man gelernt hat oder auch das was man meint, was z.B. ein Foto ausmachen sollte. Schließlich kann man auch das als Mauer im Kopf betrachten die zu vergessen manchmal nicht schaden kann.

    Aha, hab ich mir es doch gedacht, ohne es gleich anzusprechen: Du liebst wohl dieses Genre der Streetfotografie, wenn du Fotos von Martin Parr und Bruce Gilden verehrst - wobei ich finde, man muss hier unbedingt noch den genialen Lee Friedlander nennen, den ich besonders verehre: https://www.tagesspiegel.de/kultur/zum-80-…t/10193308.html

    Dies sind alles Werke mit einer Mischung aus dokumentarischer und kreativer Fotografie. Kreativ deshalb, weil eben der Betrachter nicht nur schicksalshaft-dokumentarisch mit einem Motiv konfrontiert wird, sondern ebenfalls oft zufällig ein Schuss Ironie als distanzierungsfähiges Element hinzukommt.

    Bei Lee Friedlander ist dies besonders gut in seinen "Sozialen Landschaften" zu sehen, wenn er bewusst fotografische Fehler einbaut, um nicht nur fotografische Banalitäten dokumentarisch festzuhalten, sondern ebenso auch das Medium Bild per se zu ironisieren!

    (... und das sehe ich in Deinem Bild nicht:
    Außerdem wenn Dir das verrottete Plakat so wichtig erscheint, wie du es ja als Deinen Foto-Mittlepunkt beschrieben hast, hätte ich auch einen näheren Standpunkt zum Knipsen gewählt. Die unterschiedlichen Mauern, Dächer, Straßenpflaster, Himmel und Autos lenkten mich doch ziemlich ab von Deiner beschriebenen Intention, in uns nicht nur Gedanken zur trivialen Vergangenheit aufkommen zu lassen, sondern ebenso vielleicht noch tiefsinniger über das Schicksal einer allgemeinen Vergänglichkeit zu philosophieren - quasi von der Geburt einer neu-installierten Plakatwand über den prallen Lebensmittelpunkt voller bunter und aktueller Kaufangebote ... bis hin zum langsam vor sich hinsterbenden Ende - zerfleddert noch erkennbar im unbenutzen Rahmen, welcher wohl bis heute irgendwie vergessen wurde, entsorgt zu werden?!)

    Auch mir sind da mal so einige gute "Schnappschüsse" gelungen, ob im Schulalltag als Dokumentation im situativen Umgang mit meinen schwer erziehbaren Schülern oder eher als Streetfotograf z.B. bei Galas, wo rein zufällig ein Kellner ganz ungeniert in seiner Nase popelt und als gesellschaftlicher Kontrast im Hintergrund eine festliche Gesellschaft den Hummer herrschaftlich auftischen lässt…

    Wir brauchen aber eigentlich auch nicht unbedingt ins Ausland blicken: Auch in Deutschland gibt es da eine interessante Adresse, um neue deutsche Straßenfotografen kennenzulernen, die in immer unterschiedlichen Stilrichtungen ihre Arbeiten hier vorstellen - und von denen ich sogar einige kenne, da sie sich mit mir in meiner Nikonszene tummeln.

    Aber um nochmal abschließend auf Dein "Street"-Bild zu kommen:

    Für mich lässt Dein Bild in seiner Banalität irgendwie ein Zuviel an Freiheiten für den Betrachter zu, in aberwitzige Vorstellungen (über Architektur, allgemeine Gesellschaftskritik, mögliche Ungerechtigkeiten, eigene Befindlichkeiten u.a.m.) abzudriften, was ich ja irgendwie versucht habe...Da könnte man halt- und uferlos (- je nach kreativer Lust und Laune -) phantsievolle Romane ins Bild packen -

    … und das machte Dein Bild für mich eben recht schwer zu interpretieren, während die Bilder bekannter und z.T. berühmter Straßenknipser durchaus eine wesentlich klarere Aussage in ihrem Spannungsbogen zwischen banaler Realität und situativer Ironie beinhalten:
    Sie versuchen in ihrer Genialität - oft rein zufällig eingefangen - all die perversen Anomalien in der Welt schonungslos aufzudecken und damit auch gleichzeiig durch diverse absurde Situationen mit einer gehörigen Portion Ironie anzuklagen! Denn ohne Ironie wäre es ja sonst wiederum nur eine profane Dokumentation, was natürlich auch so seinen Reiz hat …

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

    16 Mal editiert, zuletzt von Bernie (21. Juni 2020 um 00:58)

  • Thomas Es ist müßig, Kunst erklären zu wollen, sich für ein Werk zu rechtfertigen oder die Betrachter an die Hand zu nehmen, um sie irgendwohin zu führen. Ich finde deine Bilder ohne Erklärungen wesentlich aussagekräftiger, denn die Stimme des Bildes sagt genug, sagt viel. Kunst spricht für sich selber, Rezensenten schwätzen und hören sich nur gerne beim Reden zu. Das Bild lässt mich als Betrachter zum Mittelpunkt werden. Dabei brauche ich nichts intellektuell zu verstehen; Kunst ist das, was sie in mir auslöst. Jede Erklärung ist ein Gitterstab mehr am Käfig des Panthers: "Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf - Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille - und hört im Herzen auf zu sein." Wir sollten die Kunst befreien, sonst enden wir wie Rilkes Panther im Käfig.

  • Bernie

    Es ist auch keine Straßenfotografie. Obwohl ich das auch mache. Wie z. B. vor ein paar Wochen in Wiesbaden:

    Die hatte ich aber schon im anderen Thread gezeigt, glaube ich. Ich mag die Fotos, keine Frage, und es hat mir Spaß gemacht sie aufzunehmen. Letztendlich unterliegen sie aber dem von mir beschriebenen Diktat, dass sie Ansprüchen des Betrachters genügen müssen um bestehen zu können. Du hast mir ja nun ziemlich genau erklärt, wie Straßenfotografie zu sein hat. ;)

    Du hast es wirklich ganz gut beschrieben, @Monomond. Wobei Kunst ein großes Wort ist und ich im Grunde auch nichts damit zu tun haben möchte. ^^ Wie so Vieles existiert Kunst, meiner Meinung nach, weil es eine gute Möglichkeit bietet sich von anderen abzugrenzen. Aber das ist eine andere Geschichte und das würde hier wohl zu weit führen.

    Übrigens ist das nicht die einzige zerfallende Plakatwand hier im Ort. Ich frage mich, warum die nicht mehr benutzt werden. Liegt es am Altersdurchschnitt, der hier bestimmt recht hoch ist? Sind wir hier nicht mehr in der relevanten Zielgruppe weil zu alt? Man weiß es nicht...

  • Thomas Es ist müßig, Kunst erklären zu wollen, sich für ein Werk zu rechtfertigen oder die Betrachter an die Hand zu nehmen, um sie irgendwohin zu führen....

    Sehr schön formuliert! Aber mit Deiner Sicht von dem, wie Du Kunst & Kultur verstehst, wäre aber sofort jene eingangs gewünschte Aufforderung an uns Threadbesucher nur unnötiges "Geschwätz". OK, so kann man es natürlich sehen, auch wenn es eigentlich immer irgendwie zur menschlichen Natur gehört, sich so seine Gedanken zu machen, was man hier dann ja auch formulieren soll. Nicht umsonst haben sich viele doch immer wieder damit beschäftigt oder ihre Kunststudenten angeleitet, sich aktiv mit all den ausgesuchten Materialien auseinanderzusetzen und es nicht nur stumm auf sich wirken zu lassen.

    Ich denke, man sollte es jedem selbst übelassen, ob dem einen die Wirkung reicht und jegliche Rezensionen zuwider sind - oder ob man doch Grund und Ursache versucht herauszufinden, mit welchen Ausdrucksmitteln jemand diese Wirkung verursacht hat oder welche Gedanken oder Ideen dahinterstecken, gerade solch ein Bild zu kreieren und uns vorzustellen.

    Denn mit dieser Ansicht von dem, was man unter dem Begriff Kunst versteht, haben sich letztendlich durch alle Jahrhunderte alle Menschen immer wieder begrifflich auseinandergesetzt, meterweise psychologische, soziologische oder philosophische Bücher geschrieben oder nach den unterschiedlichen Idealen der jeweiligen Zeitkultur ihren Schülern gelehrt: ob man jetzt die Lehren der alten Meister aus der Antike nimmt bis hin zu den Ansichten eines Beuys in der heutigen Moderne - ... und das betrifft jeden von uns, der sich Gedanken zur Kunst macht, je nach seinem background, aufgrund seiner Bildung oder rein aus seinem immer individuell-bleibenden, augenblicklich-emotionalen Empfindungsvermögen...

    ... und so verstehe ich auch die Symbolik in Rilkes Gedicht eines personifizierten Panthers als Deinen rein individuellen Appell an uns, Kunst von all den zahlreichen Betrachtungsmöglichkeiten zu befreien.

    Ich denke, man kann beides tun, ohne nicht auch das andere tolerant zuzulassen und alle Erklärungsversuche nicht als eine Einengung zu empfinden ... wie halt jeder "gestrickt" ist und damit entweder das Gesehene wortlos nachempfinden lassen- oder sich doch durch ein Bild neugierig zur Suche nach Gründen und Ursachen anregen lassen will...

    Gerade habe ich übrigens diesbezüglich eine passende Sendung im 3sat gesehen, die interessanterweise genau diesen Wandel der Sichtweise von Kunst & Kultur beleuchtet und in der Mediathek noch einige Zeit angeschaut werden kann:

    https://www.3sat.de/gesellschaft/s…kultur-100.html

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

  • Bernie

    Es ist auch keine Straßenfotografie....Du hast mir ja nun ziemlich genau erklärt, wie Straßenfotografie zu sein hat. ;)

    Ich habe dies deshalb so verstanden, weil Du Dich ja bewußt auf die oben genannten Vertreter der Straßenfotografie bezogen hast.

    Entschuldige auch bitte, wenn trotz meiner Pensionierung doch immer wieder meine alte Lehrerattitude durchschimmert hi hi hi...:mundzu01:

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

  • Aber mit Deiner Sicht von dem, wie Du Kunst & Kultur verstehst, wäre aber sofort jene eingangs gewünschte Aufforderung an uns Threadbesucher nur unnötiges "Geschwätz".

    Es ist aber doch ein Unterschied, ob man eine Rezension macht oder lediglich seine Gedanken zu einem Bild sagt. Das eine ist eher Wertung und das andere die individuelle Sicht, ohne Wertung oder gar Einordnung in Stile oder Gruppen ?

    Wissen nutzt nur wenn man es anwendet. :midi36:

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    Es wurde bereits alles gesagt - nur noch nicht von jedem ;) (Karl Valentin)

  • Ich mag das erste Foto, weil es so viel Raum zum "Spinnen" gibt. Deshalb ist Dein Experiment so spannend, hier verschiedenste Menschen etwas dazu schreiben zu lassen, Thomas .
    Die Kunst entsteht erst im Auge des Betrachters, oder eben auch nicht...

    Vor einigen Jahren habe ich eine Wurzel gefunden, in der ich den perfekten Ziegenbock-Kopf entdeckte. Mit ein paar Zutaten wurde für mich eine Skulptur daraus, die so lange in unserer Wohnung hing, bis sie von unserer damaligen Putzkraft eindeutig als verwurmter Staubfänger identifiziert und in den Müll entsorgt wurde.

  • Tut mir leid ZumaFx :

    Kann ich denn Gedanken äußern, ohne zu sagen, warum mich eine Betrachtung bewegt, kalt läßt oder abstößt, warum ich das eine mag und das andere nicht, warum ich etwas langweilig oder spannend finde, warum ich in Vexierbildern verschiedene Gegenstände meine zu erkennen, wie es Elke mit ihrem Ziegenbock-Kopf so treffend schilderte?

    Ich denke, die Grenzen zwischen einer Rezension und eigenen Gedanken zu einem Bild sind in meinen Augen sehr fließend und oft kaum zu unterscheiden. Gedanken zu äußern ohne Grund und Ursache zu nennen, was mich jetzt dazu gebracht hat, dies so und nicht anders zu empfinden, jenes zu sehen oder auch am Ende mit einem "WARUM" kritisch zu interpretieren, hat doch immer auch mit mir selbst und meiner Urteilsfindung zu tun. Tut mir leid, für mich spielt in einer individuellen Sicht immer auch ein Schuss Bewertung mit als ein Versuch, die Wirkung eines Bildes auch für mich erklären zu wollen. Wirkung hat nämlich für mich immer auch was mit "Aus"-Wirkung zu tun als eine Kraft, ein Ergebnis oder jenem Erfolg, warum bei meiner Betrachtung überhaupt erst solch ein Eindruck entstanden ist bzw. nur diese und keine andere Wirkung (speziell jedenfalls bei mir!) erfolgen konnte. (... beispielsweise der "Goldene Schnitt" oder bei den Radierungen von A. Dürer, der meisterhaft ein und dasselbe Bild mehrfach verkaufen konnte durch immer wieder verschiedene Betonungen von Linien und Figuren, so dass der Betrachter meinte, ein völlig neues Bild vor sich zu haben.)

    Aber vielleicht bin ich auch durch Bildung und Schulung "versaut" oder es passt einfach zu meiner dadurch geprägten Persönlichkeit, nicht einfach nur das mit all meinen Sinnen Erkannte und Empfundene so stehen lassen zu können, ohne mich gleich instinktiv und automatisch-neugierig auch um ein "Wovon" "Wieso" oder "Wozu" kümmern zu wollen...?! :Denk1:

    :emojiSmiley-41:Tschööö - Bernie :emojiSmiley-102:

    6 Mal editiert, zuletzt von Bernie (21. Juni 2020 um 14:13)

  • Warum tut dir das denn leid Bernie ?

    Das waren doch nur Gedanken, die dein Satz bei mir hervor gerufen hat. Deine Sicht und Meinung ist doch voll in Ordnung und genauso "richtig" wie die aller anderen hier.

    Ich versuche Kunst immer eher wie ein Kind zu sehen, ganz bewusst. Um eben unvoreingenommen die Wirkung auf mich zu genießen. Bildung ist da manchmal hinderlich, denn dadurch findet eine (oftmals unbewusste) Bewertung statt, die ICH gerne vermeide. Ich denke beides sind legitime Herangehensweisen zur Annäherung an Kunst ?

    Bitte verstehe das von mir geschriebene nicht als Affront sondern eher als Additiv, eben eine andere Sichtweise.

    Wissen nutzt nur wenn man es anwendet. :midi36:

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    Es wurde bereits alles gesagt - nur noch nicht von jedem ;) (Karl Valentin)

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